Michael Kipfer betreibt in Stettlen bei Bern den Prototyp der Pyrolyse-Heizung «PyroFarm». Durch das Verkohlen von Holzschnitzeln entsteht Pflanzenkohle, die dabei entstehende Abwärme wird zum Heizen genutzt. Erste Erfahrungen mit der eigenen Pflanzenkohle stimmen den Landwirt sehr positiv.
«Absolut hammermässig.» Michael Kipfers Fazit ist eindeutig – er ist von der Pflanzenkohle aus der eigenen Pyrolyseanlage begeistert. Seit Ende 2020 ist der Landwirt Besitzer eines Prototyps der «PyroFarm», einer Pyrolyse-Heizung, die das Basler Unternehmen Pyronet mit Unterstützung der Klimastiftung Schweiz entwickelt hat. Diese erfüllt zwei Zwecke gleichzeitig: Durch das Verkohlen von Holzschnitzeln entsteht Pflanzenkohle, die dabei entstehende Abwärme wird zum Heizen genutzt. Am 4. Januar 2021 nahm die Anlage in Stettlen ihren Betrieb auf. Hier, unweit von Bern, bewirtschaftet Michael Kipfer auf 12,5 Hektaren seinen Knospe-zertifizierten Bio-Hof. Er produziert Naturabeef-Fleisch und Quinoa, Saatkartoffeln, Speisehafer und Weizen.
Heizwärme für vier Wohnungen
Zwei Häuser mit insgesamt vier Wohnungen gehören zum Hof. Bis Anfang 2021 lieferte eine Holzschnitzelheizung die Wärme für Heizung und Warmwasser, seither wird ausschliesslich die Abwärme der Pyrolyse-Anlage genutzt. Das Holz stammt aus Michael Kipfers 3,5 ha grossem Waldstück, zum Pyrolysieren verwendet er minderwertiges Baumkronenmaterial. Im Winter füllt er täglich einen der zwei Biomassebehälter, zündet die Holzschnitzel an und lässt diese innerhalb von rund fünf Stunden verkohlen. Während die Charge abkühlt, startet er am nächsten Tag den zweiten Behälter. Rund 20 Kilogramm Pflanzenkohle erhält er pro Charge. Im Sommer reicht die Abwärme länger, dann zündet er die Anlage jeweils alle drei Tage.
Michael Kipfer hat auf seinem Hof die erste Pyrofarm installiert. So kann er aus minderwertigem Holz aus seinem Wald vier Wohnungen heizen und Pflanzenkohle für den Eigenbedarf produzieren.
Sechs Tonnen Pflanzenkohle im Jahr
Im ersten Betriebsjahr der Anlage erzeugte Michael Kipfer fünf Tonnen Pflanzenkohle, 2022 werden es dank verbesserter Einstellungen der Software sogar rund sechs Tonnen sein. Während des ersten Jahres testeten und optimierten Stephan Gutzwiller und Fridolin Hanel von Pyronet mit Michael Kipfers Unterstützung den Prototyp der «Pyrofarm» und merzten Kinderkrankheiten aus. «Die Qualität der Pflanzenkohle war von Anfang an gut. Durch Weiterentwicklung konnten die Kohlemenge gesteigert werden», so Kipfer.
Hohe Qualität im Labor nachgewiesen
Weil er die Kohle ausschliesslich für den Eigenbedarf benötigt, hat Michael Kipfer keine kostspielige EBC-Zertifizierung beantragt. Eine Laboranalyse hat indes ergeben, dass seine Pflanzenkohle eine sehr hohe Qualität aufweist und sowohl der Düngerzulassung des Bundesamts für Landwirtschaft als auch dem EBC-Standard gerecht wird.
Bis zu sechs Tonnen Pflanzenkohle für den Eigenbedarf produziert Michael Kipfer auf seinem Hof. Laboranalysen haben der Kohle eine hohe Qualität attestiert.
Mehr Wasser im Boden speichern
Seinen Kohleertrag wird Michael Kipfer zur Gänze selbst nutzen. «Je mehr Pflanzenkohle ich einsetzen kann, desto besser», findet er. Sein Ziel ist es, auf seinen 10, 5 Hektaren Ackerfläche ein Kilo Kohle pro Quadratmeter auszubringen – bis es so weit ist, wird es gut 17 Jahre dauern. Mit der Pflanzenkohle will der Bio-Landwirt seine Böden vor allem für Trockenperioden rüsten, die im Zuge des Klimawandels vermehrt auftreten. Aufgrund der hohen Porosität der Pflanzenkohle können die Böden mehr Wasser speichern. Langfristig trage die Kohle vermutlich auch zum Aufbau von Dauerhumus bei, ergänzt der innovative Landwirt. Auch dies helfe mit, dass die Böden bei Niederschlägen mehr Feuchtigkeit aufnehmen, die sie bei Trockenheit wieder abgeben können. Wie und wie stark die Pflanzenkohle die Humusbildung in Böden gemässigter Breitengrade unterstützt, ist wissenschaftlich jedoch noch nicht nachgewiesen.
Kohle in Gülle, …
Michael Kipfer lässt die abgekühlte Pflanzenkohle jeweils durch eine alte Haferquetsche. Seiner Meinung nach ist der Effekt im Boden grösser, wenn die Pflanzenkohle feiner ist. Die grösste Wirkung der Pflanzenkohle hat sich für ihn bisher als Beigabe in der Gülle gezeigt: «Die Gülle stinkt überhaupt nicht mehr», meint er ganz begeistert.
… Einstreu …
Auch die Pflanzenkohle, die er in den Stallgang streut, habe zur Folge, dass es im Stall deutlich weniger intensiv rieche. In die Liegeboxen streut der Landwirt ebenfalls Pflanzenkohle, worin er einen weiteren Vorteil vermutet: «Bakterien im Mist vermehren sich weniger und die Tiere werden seltener krank.» Die Kohleschicht bedeckt Kipfer mit viel Stroh, welches die Kühe aber beiseiteschöben, um sich in der Kohle wälzen zu können. «Wahrscheinlich zur Fellpflege, ich kann es mir nicht anders erklären», meint Kipfer.
… und Futter
100 Gramm Pflanzenkohle pro Tier und Tag mischt er dem Futter seiner Kühe bei. Über das Futter der Tiere gelangt die Kohle in einen Kreislauf: Sie landet in der Gülle und wird auf diese Weise später optimal auf dem Ackerland verteilt. «Würde die Kohle direkt auf dem Land ausgebracht, würde ein Grossteil vom Wind verweht, ausserdem entzöge die Kohle dem Boden im ersten Jahr Nährstoffe – das ergäbe also wenig Sinn», so Michael Kipfer. Intensive Experimente mit Pflanzenkohle macht er auch im eigenen Hausgarten, die Wirkung hofft er in einigen Jahren zu sehen.
Mit der Pflanzenkohle will der Bio-Landwirt den Wasserhaushalt seiner Böden verbessern. Denn Pflanzenkohle kann viel Wasser speichern.
Erste Erfahrungen positiv
Vor dem Kauf der «PyroFarm» hatte Michael Kipfer kaum Erfahrung mit Pflanzenkohle – er habe lediglich einmal einen Bigbag Kohle der Gülle beigegeben, sagt er. Als sein Vater allerdings einen Vortrag zur Pflanzenkohle besuchte und davon schwärmte, las sich Michael Kipfer ins Thema ein. «Es zog mir den Ärmel rein und ich vereinbarte mit Stephan Gutzwiller einen Termin», erzählt er. Dabei stellte sich heraus, dass zwar mehrere Personen Interesse zeigten am PyroFarm-Prototyp, bis dato aber keiner den Mut gehabt hatte, Versuchskandidat zu sein. «Jemand muss den Anfang machen», sagte sich Kipfer, der sich selbst als neugierig und risikofreudig beschreibt – und stellte sich und seinen Hof zur Verfügung.
Ob sich die Eigenproduktion der Pflanzenkohle gegenüber dem Einkauf rechne, könne er wohl erst in einigen Jahren sagen, glaubt Michael Kipfer. Da es aber noch zu wenige grosse Pyrolyse-Anlagen gebe, um Pflanzenkohle für die gesamte Schweizer Landwirtschaft zu produzieren, brauche es auch kleine Anlagen wie die seine, ist er überzeugt. Erste Erfahrungen mit seiner «Pyrofarm» stimmen ihn jedenfalls sehr positiv.