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Das Wertvolle herausfiltern

In unserem Abwasser steckt viel drin, vor allem aber viel ungenutztes Potenzial. Dieses will der Westschweizer Verein aneco mit dezentralen Abwassersystemen ausschöpfen. Effiziente Filter auf Pflanzenkohlebasis sind dabei unentbehrlich.

Ein strohbedeckter von unzähligen Regenwürmern bewohnter Grosskomposthaufen: So sieht die «Kläranlage» in einem Genfer Mehrfamilienhaus aus. (Bild: aneco)

In Schweizer Haushalten verbrauchen wir 160 Liter Trinkwasser pro Kopf und Tag. Fast ein Drittel davon wird das WC hinuntergespült und landet in der Kläranlage. Marius Klinger vom Genfer Verein aneco gibt dies zu denken: «Wir sollten unsere Wasser- und Nährstoffkreisläufe schliessen und aufhören, die wertvollen Nährstoffe zu vergeuden, die sich im Urin und den Fäkalien finden.» Für den Umweltwissenschafter und aneco-Mitgründer liegt die Lösung auf der Hand: eine dezentrale Abwasseraufbereitung. «Mit unseren Systemen können wir die wertvollen Stoffe vor Ort aus dem Abwasser filtern und das aufbereitete Wasser weiterverwenden.» Und genau hier kommt die Pflanzenkohle ins Spiel.»

Schrittweise Aufbereitung
Das Schwarzwasser, das Fäkalien und Urin enthält, wird in mehrere Stufen aufbereitet. Zuerst durchläuft es eine grosse Wurmkompostierung, die mit Stroh bedeckt ist. Dabei werden die Feststoffe zurückgehalten und in Kompost verwandelt. In einem zweiten Schritt fliesst das vorgefilterte Schwarzwasser durch einen zweischichtigen, gut belüfteten Pflanzenkohlefilter. Dessen erste Schicht ist 20 cm hoch und besteht aus feiner Pflanzenkohle mit einem Durchmesser von maximal 10 mm. «Die feine Kohle saugt die Flüssigkeit wie ein Schwamm auf und sorgt für eine gute Verteilung auf der ganzen Filterfläche», erklärt Klinger.
Danach folgt eine 50 cm mächtige Schicht aus etwas gröberer Pflanzenkohle mit einem Durchmesser zwischen 10 und 30 mm. Die für die Wasseraufbereitung so wichtigen bakteriellen Mikroorganismen würden hier auf der Kohlenoberfläche «perfekte Bedingungen» vorfinden, um zu gedeihen und zu wirken, so Klinger. Das Ziel sei eine gute Belüftung des bakteriellen Filters, da die Mikroorganismen bei der Aufbereitung des Abwassers viel Sauerstoff verbrauchten.

Langlebige Pflanzenkohle statt Holzschnitzel – im Bild wird gerade ein Teil des Filtersubstrats ausgetauscht. Die Schicht aus grober Pflanzenkohle (links) wird noch eingeebnet und mit feiner Pflanzenkohle und der Wurmkompostierung abgedeckt. (Bild: aneco)

Separat gesammelter Urin wird Dünger
Idealerweise werden Urin und Fäkalien bereits an der Quelle getrennt. So kann man das sogenannte Gelbwasser, das mehr oder weniger unverdünnten Urin enthält, separat verwerten: In einem bakteriellen Pflanzenkohlefilter wird daraus innert drei Tagen Dünger gewonnen, der reich an Stickstoff, Phosphor und Kalium ist. «Für diese Anwendung braucht es einen etwas feineren Pflanzenkohlefilter», sagt Klinger. Die obere Schicht aus feiner Pflanzenkohle müsse 25 cm dick sein, die untere Schicht sollte eine Stärke von 1,3 m aufweisen.

Im sogenannten Pitribon-Filtersystem, das auf feiner Pflanzenkohle basiert, wird Urin in geruchslosen Dünger umgewandelt. (Bild: aneco)

Unverwüstliche Filter
«Pflanzenkohle ist für uns deshalb so interessant, weil sie ein ausgezeichnetes Oberflächen-Volumen-Verhältnis aufweist», betont Klinger. Sie sei zudem langlebig, in der Schweiz einfach erhältlich und beeinflusse als Kohlenstoffsenke das Klima positiv. Die früher im Filter verwendeten Holzschnitzel hätten sie alle 5 bis 6 Jahre austauschen müssen, da sich diese rasch abgebaut hätten. «Pflanzenkohle hingegen nutzt sich praktisch nicht ab», sagt Klinger, «theoretisch müssten wir sie gar nie austauschen.» Allerdings fehlen aneco hierzu noch belastbare Langzeiterfahrungen, wie Klinger einräumt. «Aber auch wenn wir sie dann in der Praxis aus Leistungsgründen alle 20 Jahre austauschten, ist und bleibt dies ein grosser Vorteil.»

In der Praxis erprobt
In der Westschweiz hat das Team rund um Marius Klinger schon zahlreiche dezentrale Abwassersysteme geplant und umgesetzt. Ein Meilenstein war im Jahr 2017 die erste Grossanlage an der Genfer Rue Soubeyran für die Wohnbaugenossenschaft Equilibre. Ein siebengeschossiger Neubau mit 38 Wohnungen wurde mit einer eigenen «Kläranlage» realisiert, die geschlossene Wasser- und Nährstoffkreisläufe ermöglicht. Und aneco skaliert sein Modell weiter: Dieses Jahr geht im Freiburger Bürogebäude Bluefactory eine noch grössere Anlage in Betrieb. «Diese ist auf eine Abwassermenge ausgelegt, welche 373 Einwohner verursachen würden», so Klinger.
Mehr zu aneco (nur auf französisch)

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